95 Thesen

95 Thesen der Empörten zu Magdeburg

Proklamiert am 31. Oktober 2011
an Türe des Rathauses zu Magdeburg

Die folgenden Thesen sind Ausdruck des Willens und der Wünsche der Menschen, die am 15. Oktober 2011 in Magdeburg, zusammen mit Millionen anderen Menschen, auf die Straße gingen und ihrer Empörung Ausdruck verliehen. So forderten gemeinschaftlich: Echte Demokratie Jetzt!
Diese 95 Thesen entsprechen den Forderungen, Vorstellungen und Aussagen der 400 Demonstrationsteilnehmer, die sie auf vielfältige Art und Weise artikulierten.




1. Echte Demokratie ist nur mit echter Teilhabe möglich.

2. Ohne echte Demokratie ist der Mensch seiner Grundideale und Träume beraubt.

3. Wahlkampflügen wirken auf die Demokratie zerstörerisch und erschüttern das Vertrauen in die Politik.

4. Regelmäßige öffentliche Foren zur Aufnahme des Gemeinwillens sind unverzichtbar für eine gelebte und echte Demokratie.

5. Transparenz ist Grundlage echter Demokratie.

6. Die Aufgabe der Politik ist es, den Menschen zu dienen und nicht den Parteien.

7. Geld darf nicht Mittelpunkt sein, die Menschen müssen es sein. Die Macht der Banken widerspricht dieser Prämisse.

8. Der mediale Einfluss und Massenentertainment sind zu groß und behindern eine kritische Meinungsbildung, die elementar wichtig ist für eine demokratische und aufgeklärte Gesellschaft.

9. Die Menschenwürde ist oberstes Gebot. Sie darf niemals und unter keinen Umständen Profitlogiken unterworfen werden.

10. Demokratie findet vor Ort statt – oder sie findet nicht statt!

11. Hunger und Armut sind der Herd für soziale Unruhen.

12. Die Erde kann nur in Frieden existieren.

13. Die Menschen wollen keine Kriege, die Menschen wollen Frieden. Eine Investition der Kriegs- und Rüstungsgelder in unsere Kinder schafft eine bessere und friedlichere Zukunft.

14. Es gibt keine Zukunft ohne die gesicherte Zukunft unserer Kinder.

15. Die Kinderarmut in Deutschland ist schädlich für eine funktionierende Gesellschaft.

16. Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Entwicklung kann nur Schwerpunkt unseren Denkens und Handelns sein.

17. Ein gerechtes Verteilungsprinzip ist Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft.

18. Alle Menschen verdienen einen Lohn, von dem sie Leben können.

19. Banken sind systemrelevant und gehören daher in die öffentliche Hand.

20. Homophobie ist nicht Charakter einer modernen Gesellschaft. Homophobie ist nicht nur die offene Ablehnung gegenüber homosexuellen Menschen, sie findet ihren Niederschlag ebenso in einer ausgrenzenden und würdeverachtenden Geschlechterpolitik.

21. Allein das Vermögen des reichsten einen Prozents reicht aus, um die gesamte Staatsverschuldung auf ein Mal zu tilgen. Steuergerechtigkeit ist Grundlage einer sozial gerechten Gesellschaft.

22. Arbeitslosigkeit kann durch Verkürzung der Arbeitszeit behoben werden. Angesichts stetig steigender Produktivität ist eine Verkürzung und Verteilung der Arbeitszeit auf lange Sicht unverzichtbar.

23. Das militärische Werben der Bundeswehr an Schulen ist Verbreitung von Halbwahrheiten, unverantwortliche Indoktrination und Ausnutzung jugendlicher Naivität. Militärische Auslandseinsätze. schaffen keinen Frieden.

24. Eine Gesellschaft ist nur demokratisch, wenn sie niemanden zurücklässt und die Möglichkeit zur Mitsprache und Mitgestaltung bietet.

25. Der Mensch kann nur mit und nicht nur von der Natur leben.

26. Die derzeitige Wachstumsgläubigkeit ist nicht im Sinne der Menschen. Sie wünschen sich eine menschenwürdige Versorgung.

27. Gute Bildung für alle ist durch eine verstärkte Besteuerung von Reichtum finanzierbar.

28. Bildung ist eines der wichtigsten Güter unserer Gesellschaft. Sie hat unbedingt Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.

29. Die Abschaffung von Schulen aus finanziellen Erwägungen bewirkt das Absterben ganzer Regionen und belastet die Kinder, die unverantwortlich weite Wege zurücklegen müssen.

30. Kommunen werden zu Grunde gespart.

31. Der Kapitalismus ist im Grundsatz parasitär und widerspricht dem Ideal einer natürlichen Wirtschaftsordnung.

32. Zur Vermeidung weiterer Finanzmarktkrisen ist eine Finanztransaktionssteuer unerlässlich.

33. Der Rettungsschirm EFSF ist ein Hohn und eine Ohrfeige für die Menschen, die ihn finanzieren, wenn er zur Aufrüstung und Militarisierung verwendet wird.

34. Bankenrettungen mit Steuergeldern widersprechen der Gerechtigkeit und sind nicht demokratisch legitimiert. Parteien müssen sich zum Wohle der Gesellschaft, also in ihrem eigenen Interesse, an der Rettung mit ihrem Parteivermögen beteiligen.

35. Der Kapitalismus ist nicht in der Lage, soziale Marktwirtschaft und Demokratie in Einklang zu bringen.

36. Die Schaffung negativer Steuern beseitigt Armut, Hartz IV schafft hingegen Armut.

37. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wird von vielen Menschen unterstützt. Daher muss die Diskussion über solche Alternativen der sozialen Sicherungssysteme gesamtgesellschaftlich und medial präsent stattfinden.

38. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist nicht zielführend. Wachstum kann nicht gesetzlich verordnet werden.

39. Ein ALG II- Eckregelsatz von mindestens 500€ verhindert Armut.

40. Die Schere zwischen arm und reich kann nur geschlossen werden durch eine Umverteilung von oben nach unten.

41. Nur eine gerechte Besteuerung, auch der Reichen, ist Basis echter Demokratie.

42. Deutschland kann nur als Sozialstaat existieren. Die Gewinnverteilung kann nicht weiter zu Lasten fast aller Bürger zu Gunsten Weniger erfolgen. Eine funktionierende Wirtschaft und Gesellschaftsform beruht auf den Lasten Aller und darf Wohlhabende nicht ausnehmen und begünstigen.

43. Die stärkere Einbeziehung der Menschen in politische Entscheidungen ist zum Wohle Aller.

44. Empörung ist der erste Schritt zur Veränderung hin zu einer solidarischen Gesellschaft. Es ist nie zu spät.

45. Menschen wollen ernst genommen werden, ihre Stimme erheben dürfen und kein Zahnrad im Getriebe sein.

46. Der Mensch wird zunehmend seiner Güter, Möglichkeiten und Entscheidungsmacht beraubt werden.

47. Das Bankenmonopol ist gesellschaftsschädlich. Die unrechtmäßig erworbenen Gewinne könnten als Bedingungsloses Grundeinkommen umverteilet werden.

48. Kinder dürfen niemals Opfer von Sparßnahmen werden.

49. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

50. Das GG §1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist und bleibt oberste Richtlinie.

51. Solange das Geld regiert, solange wir uns vom Geld regieren lassen, haben wir keine ECHTE Demokratie.

52. Jede Arbeit verdient eine und menschenwürdige und gerechte Entlohnung.

53. Asylbewerber und Obdachlose sind ein Teil unserer Gesellschaft. Ihre Ausgrenzung widerspricht dem Grundgedanken unserer Verfassung.

54. Soziale Beziehungen und Umfelder sind unerlässlich für eine funktionierende Gesellschaft und für die Menschen. Sozialer Zusammenhalt kann nur gemeinsan hergestellt werden.

55. Jeder Mensch muss Würde erfahren, auch bei Erkrankung und Behinderung.

56. Leiharbeit, wie sie gegenwärtig betrieben wird, ist schädigend. Sie steht im Gegensatz zur Forderung einer würdigen Entlohnung und geht einher mit einer Missachtung von fundamentalen Arbeitnehmerrechten.

57. Der Kapitalismus ist im Wesen weder vereinbar mit einer sozialen Marktwirtschaft, noch mit dem sozialen Gedanken als solchen.

58. Der Artikel 14 (2) des Grundgesetzes „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ ist zum Wohle der Gesellschaft unverzichtbar und Basis einer demokratischen Gesellschaft.

59. Die repressive Migrationspolitik in Deutschland und
Europa ist nicht vereinbar mit den elementarsten Menschenrechten. Diese Form von staatlicher Ausgrenzung fördert Rassismus und Fremdenhass.

60. Populismus und Sozialchauvinismus à la Sarrazin bedrohen den sozialen Frieden innerhalb der Gesellschaft und verletzen die wichtigsten Grundsätze der Demokratie.

61. Eine ökologische und nachhaltige Nutzung der Ressourcen kann durch einen Besteuerung auf den Rohstoffverbrauch erwirkt werden. Die alleinige Besteuerung von Arbeit ist ungerecht.

62. Subventionen für Agrarexporte, tragen eine Mitschuld an den fortwährenden Hungerkatastrophen in anderen Erdteilen und verursachen, zu Gunsten der Profitmaximierung, unsägliches Leid.

63. Das Zinseszinsschuldengeldsystem ist Ursache von Finanzkrisen.

64. Nur ein reguliertes Bankensystem ist funktionell.

65. Die Dominanz von Staaten und Staatengebilden gefährdet eine echte Demokratie.

66. Nur weltweiter Protest führt zu einer neuen Menschlichkeit, von der alle Menschen profitieren.

67. Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen können soziale Projekte, Umweltaktivismus, Selbstbestimmung und echte Demokratie richtig gelebt werden. Ein bedingungsloses Grundeinkommen fördert ehrenamtliches, politisches und kulturelles Engagement. Dies sind Werte, die für eine solidarische Gesellschaft unerlässlich sind.

68. Die Bologna-Reform wurde in Deutschland falsch umgesetzt. Nur wenige Studierende schaffen daher ihr Studium in der Regelstudienzeit.

69. Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen sind zu unserem Wohle unverzichtbar.

70. Der Zugang zu Informationen ist Recht eines jeden Menschen und muss frei und umfassend sein.

71. Die Folgen und Hinterlassenschaften der Atomenergie können nur durch die Vergesellschaft der Atomkonzerne gerecht reguliert werden.

72. Gorleben ist als Atommülllager unverantwortbar.

73. Atomkraft ist ein nicht beherrschbares Risiko.

74. Es gibt keinen gerechten Krieg.

75. Die Ressourcen der Erde sind endlich. Als solches müssen sie betrachtet und nachhaltig genutzt werden.

76. Weltfrieden ist das, was die Menschen wollen. Weltfrieden ist cool.

77. Die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide und anderer Kulturlandschaften ist nicht im Sinne der Menschen.

78. Die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten behebt nicht die wahren Probleme, das Gegenteil ist der Fall. Kriminalisierung führt zum Anstieg von Drogenkonsum, Beschaffungskriminalität, Drogenhandel und Infektionsraten.

79. Eine Lösung der Hortproblematik in Schulen, wie etwa der Grundschule Osterweddingen, ermöglicht den Kindern eine gute Entwicklung und fördert die gleichzeitige berufliche Entfaltung der Eltern.

80. Revolutionen beginnen in den Herzen und Köpfen der Menschen.

81. Kinder wünschen sich Frieden. Nur eine Gesellschaft, in der Kindern echte Teilhabe ermöglicht wird, ist zukunftsfähig und friedlich.
82. Massentierhaltung ist nicht vertretbar und kann durch alternative Haltungsformen ersetzt werden.

83. Krieg ist doof.

84. Die Bekämpfung neonazistischen Gedankenguts ist eine demokratische Grundaufgabe, gerade in Sachsen-Anhalt.

85. Der Nationalsozialismus hat Ausgrenzung, Menschenvernichtung und Kriege verursacht. Nazistisches Gedankengut darf nicht und nirgendwo geduldet werden.

86. Für die Krisenaufarbeitung ist eine volle finanzielle Inregressnahme der Zocker unabdingbar. Gerecht ist, wenn die Verursacher der Finanzkrise für diese auch aufkommen.

87. Eine Überarbeitung der Verfassung ist erforderlich und wird ermöglicht durch Artikel 146 GG.

88. Wir sind alle Griechen!

89. Sexismus grenzt Menschen aus und ist Ausdruck einer menschenverachtenden und durch nichts zu rechtfertigenden Überhöhung des eigenen Geschlechts.

90. Ein menschenwürdiges Einkommen bewirkt eine menschlichere Gesellschaft.

91. Militär und Demokratie sind unvereinbar.

92. Ein lohnsteuerfreier gesetzlicher Mindestlohn von 10€ brutto schafft wieder Menschenwürde und kurbelt die Konjunktur an.

93. Der Bedarf für Lebensmittel ist derzeit in den Regelsätzen der SGB unterversorgt.

94. Jeder Bürger verdient eine gesicherte Rente - auch nach Hartz IV.

95. Der Kapitalismus als Gesellschaftsform ist gescheitert.